100 Jahre WENSENBALKEN

 

 

 


Im Februar 1923 waren die ersten acht Häuser der damaligen  „Reichsheimstätte Wensenbalken“  im nördlichsten Winkel Volksdorfs fertig gebaut. Im März zogen die ersten zwölf Familien in die vier Einzel- und vier Doppelhäuser ein.

„ …Stück um Stück (..) bis in die Nacht hinein mussten alle Möbel im strömenden Regen den sumpfigen Weg entlang getragen werden, es gab keine Straßenbeleuchtung, keine Bürgersteige, kein Siel und keinen Fernsprecher, keinen Briefkasten und keinen Laden, kein Auto (…) keinen Baum mehr und – vorerst – keine Hunde, die von morgens bis abends Krach machen…in mondlosen Nächten war es stockdunkel, und auch später, auf dem in Schlangenlinien geführten Waldpfad zur Station Buckhorn, rannte man gegentlich trotz aller Ortskenntnis gegen einen Baum“ schrieb Ascan Klée Gobert 1963 in einer Denkschrift. Gobert war nach dem zweiten Weltkrieg Kultursenator in Hamburg, ein profunder Chronist und Wensenbalken-Siedler der ersten Stunde.

Wie kam es zu dieser Siedlung mitten im Wald?

Das Reichsheimstättengesetz von 1920 sollte es Veteranen des ersten Weltkrieges, bzw. deren Witwen ermöglichen, den beengten Wohnverhältnissen der Stadt Hamburg zu entfliehen und im Grünen zu leben. Wensenbalken war mit über zweihundert Häusern und Grundstücken von mindestens 1000 qm Größe geplant. Diese Grundstücksgröße sollte die Selbstversorgung durch Anbau von Gemüse und Feldfrüchten ermöglichen. Wer die Voraussetzungen erfüllte und zudem Wohnraum in Hamburg freimachte, erhielt attraktive staatliche Unterstützung. Die Inflation 1923 und die Weltwirtschaftskrise ab 1929 verhinderte die Fertigstellung der Siedlung. Von den geplanten Häusern waren bis Ende 1927 erst einhundert fertig oder noch im Bau, und bis 1930 konnten nur noch 9 weitere Häuser fertiggestellt werden.

Durch die Abgeschiedenheit der Lage entstand ein besonderes gesellschaftliches und soziales Leben. So wurde 1928 ein Tennisverein gegründet, 1928 fanden die ersten Kinderfeste auf dem brach liegenden Bauland neben dem Bahndamm statt, dort, wo sich heute der Hochbahnwanderweg und die Bebauung am Lottbeker Feld befinden, dort, und  auch auf der Wiese vor Goberts Haus.

Die Kinderfeste waren der Höhepunkt im Siedlerleben. Am 8. September 1958 war es dem „Hamburger Abendblatt“ einen Artikel wert, dass die Kinderfeste am Wensenbalken bereits auf eine 30-jährige Tradition zurückblickten.

 

Hundert Jahre ist der Erstbezug jetzt her. Was hat sich verändert?

Bergstedt gehörte damals zu Preußen und Volksdorf war 3 km entfernt. Dazwischen waren nur Felder und Wälder.

Heute gehört Bergstedt zu Hamburg, der einst sumpfige Weg ist heute der gut asphaltierte Volksdorfer Damm, Es gibt noch immer Waldstücke, aber die Bebauung und Verdichtung ist unübersehbar. Der Schulkomplex Buckhorn und die Waldreitersiedlung sind entstanden, der Tennisverein musste 2014 mit der Tennissparte des SV Bergstedt zur TG Bergstedt-Wensenbalken fusionieren, die Kinderfeste sind in den 70er Jahren eingeschlafen. Alles am Ende? Mitnichten.

Seit ungefähr 10 Jahren gibt es vielfältige Veranstaltungen; Ausstellungen, Lesungen, historische Führungen. Open-Air Kinovorführungen, gemeinsame White Dinner, aber auch Straßenfeste, Flohmärkte und Musikfestivals. Zum 90. Jubiläum ist ein Buch über die Siedlung, seine Bewohner und ihre Geschichte erschienen. Auch zum Jubiläum gab und gibt es Veranstaltungen (eine Fotoausstellung, verbunden mit einem historischen Rundgang, einen Flohmarkt/Straßenfest – haben bereits stattgefunden), eine große Feier wird am 9. September mit einem umfangreichen Programm aus Kultur und Entertainment aufwarten. Auch das Kinderfest erfährt am 9. September eine Neuauflage, nicht mehr mit Kasperletheater, dafür aber an historischer Stelle und mit Umzug.

Eine szenische Lesung mit dem Arbeitstitel „Wensenbalken und die Welt“ ist in Vorbereitung und wird auf der Kulturmeile Volksdorf präsentiert. Man darf weiterhin gespannt sein, was da aus Volksdorfs unbekannten Norden so kommt.

 


 

Aus unserem Archiv

 

 

 

 

 

 

 

 


„Volksdorfs wundersame Landesgrenze – wie der Wensenbalken zu Volksdorf kam“

Allen Volksdorfern dürfte der mäandrierende Grenzverlauf zwischen dem Ammersbeker Ortsteil Lottbek und Volksdorf bekannt sein. Auch, dass es nur bei Volksdorf neben Neuwerk eine Exklave – ein vom restlichen Staatsgebiet völlig losgelöster Landesteil – gibt: Die Buschwiese (L) bei der Rittmeisterkoppel (M).

Die Besonderheiten gehen schon mit der „Bek“ bzw. „Beke“ los, auch „Fläte“ (1) genannt, die im Oberlauf Moorbek (N) heißt und „irgendwo“ als Lottbek (A) weiterfließt und in den Bredenbek mündet. Auch das ist unklar: der Bek oder die Beke? In Ohlstedt gibt es die Straße „Am Bredenbek“, in Hoisbüttel die Straße „An der Bredenbek“. Eine Geschlechtsumwandlung mitten im Lauf des Baches? Nein, Alf Schreyer stellte fest, dass in fast allen belegten Fällen der männliche Artikel gebraucht wurde: zumindest für den Lottbek (2). Und nun zum Namen. Die Hoisbüttler bezeichnen den ganzen Bach als Lottbek, die Ahrensburger, Wulfsdorfer und Volksdorfer den Oberlauf mit dem „Allerweltsnamen“ Moorbek. Der Namenswechsel liegt an der Brücke „Im Uhlenbusch“. Nun kommen wir zum Grenzverlauf, der fast immer am Lauf der Moorbek/Lottbek verläuft. Aber nicht überall. Bereits westlich des Wulfsdorfer Hofs kürzt die Grenze mit einem imposanten Grenzwall (3) den Umweg des Baches ab. Kurz dahinter wurde dagegen der Bach begradigt, nicht die Grenze. Sie verläuft weiterhin im Bogen des ehemaligen Bachverlaufs und damit durch das Freibad Volksdorf. Aber keine Sorge, das hat trotz aller Unterschiede der beiden Bundesländer hier keine Auswirkungen.

Bis zur Rittmeisterkoppel ist der Moorbek mit geringen Abweichungen durch natürliche Veränderungen des Bachbetts Grenzscheide zwischen Volksdorf und Wulfsdorf (1928 mit der Eingemeindung nunmehr Ahrensburg zugehörig). Dahinter ist die Lottbek Grenzscheide zwischen Volksdorf und dem Ammersbeker Ortsteil Lottbek. Hier liegt nicht weit ab die Volksdorfer Exklave „Buschwiese“ (L). Nun als Lottbek wird der Bach seit 1956 wieder zum „Neuen Teich“ (Lottbeker Stausee) gestaut (Renaturierung ab 2023 geplant). Und hier beginnt der eigenwillig mäandrierende Grenzverlauf.

 

Grenzverlauf 18. Jahrhundert

Wie hat sich dieser Grenzverlauf ergeben?

Dazu müssen wir weit in die Vergangenheit blicken.

Erstens

Seit 1389 gehört der Familie Heest das Dorf Hoisbüttel. Aus ihm bildet sich um 1600 das Adelsgut Hoisbüttel. 1396 kauft Henneke Hummersbutle das halbe Hoisbüttel. 1437 verpfändet der Nacheigentümer Knappe Bruneke von Alveslohe seinen Teil von Hoisbüttel zusammen mit seinem Besitz an den Dörfern Schmalenbeck, Volksdorf und Lottbek an den Bürgermeister und die Ratsherren von Hamburg. So entstand das geteilte Hoisbüttel mit zwei Obrigkeiten (erst 1926 wieder vereint). Die Dorfteile lagen bunt durcheinander. So bunt blieb die Verteilung der Äcker und Koppeln über die Jahrhunderte bestehen.

Zweitens

Wohl im 14. wahrscheinlicher im 15. Jahrhundert fällt das am gleichnamigen Bach gelegene hamburgische Dorf Lottbek (H) (durch die Pest?) wüst. Die zwischen Bredenbek und Lottbek (A) an Hoisbüttel angrenzende Feldmark und einiges Ackerland westlich der Lottbek wird nun von Hoisbüttlern, von den hamburgischen Dorfuntertanen (4) wie auch von den nichthamburgischen Gutsuntertanen, genutzt. Geringere Teile der westlich gelegenen Lottbeker Flur nutzten Bergstedter Bauern, dem holsteinischen Amt Trittau zugehörig, und Volksdorfer Bauern. Um das verbleibende Gebiet wie Heideflächen, Waldstücke streiten sich die Bauern der drei Dörfer Hoisbüttel, Volksdorf – beide den hamburgischen Walddörfern zugehörig – und Bergstedt – dem holsteinischen Amt Trittau zugehörig. Eine verworrene Situation.

Drittens

Ende des 18.Jh. führt die sog. Verkoppelung (5) und endlich auch die Aufhebung der Leibeigenschaft – die es im Verwaltungsbereich von Hamburg jedoch nicht gab – zu einem wirtschaftlichen Aufschwung und zu mehr Wohlstand. Die kleinteiligen Felder mit dem Flurzwang werden zu größeren Einheiten „zusammengekoppelt“ und an die Dörfler als Eigentum aufgeteilt. Nun können die Bauern nach eigenem Gutdünken ohne Flurzwang die Felder bestellen.

Viertens

1792 wird Hoisbüttel verkoppelt. Die Feldmark östlich der Lottbek des untergegangenen hamburgischen Dorfes Lottbek (H) wird mit einbezogen (6). Die Flächen gehören zwar nach dem Verständnis der Volksdorfer zu ihrer Feldmark. Da die betreffenden Hoisbüttler jedoch ebenfalls Hamburger Untertanen sind, sieht der Waldherr (7) darin wohl kein Problem. Damit scheint der Besitzanspruch der Hoisbüttler auch westlich der Lottbek am Roggenstall (I) geklärt. Das Prinzip der Lottbek als Grenze wird somit schon nicht mehr durchgängig eingehalten. Als strittige Bereiche verbleiben als Hauptstreitpunkt zwischen den drei Dörfern

  • der Wensenbalken (G), der von Bergstedt beansprucht wird (8). Die Siedlung Wensenbalken liegt folglich auf ehemaliger Flur des untergegangenen Dorfes Lottbek.
  • die Lottbeker Heide (D) nördlich der Gras-Reye (E), einem kleinen, ehemaligen Wasserlauf, heute westlicher Teil der Heinrich-von Ohlendorff-Str.
  • weiterhin der Roggenstall (I) auch Regestalle genannt (9)

 

Fünftens

1798/99 wird Volksdorf verkoppelt. Dabei werden die Wiesen westlich der Lottbek, die vom ›Neuen Teich‹ (K) bis zur ›Kleinen Lottbeker Furt‹ (F) liegen und von Volksdorfer Bauern genutzt werden, auch diesen zugesprochen. Doch die drei Koppeln am Roggenstall bzw. Im Regestalle (9) verbleiben bei den Hoisbüttlern, denn es handelt sich jeweils um Hamburger Untertanen.

Der von den Bergstedtern genutzte und beanspruchte Wensenbalken (G) und die nördlich davon liegende Lottbeker Heide (D) bleiben bei der Verkoppelung ausgespart. Aber die Nutzung des Wensenbalken durch die Bergstedter wurde fortgesetzt und der Zuschnitt entsprach der Verkoppelung.

Die Bergstedter Bauern haben einen entscheidenden Nachteil gegenüber den Volksdorfern und den hier involvierten Hoisbüttlern: Sie sind keine Hamburger Untertanen. Während es 1792 bei der Verkopplung Hoisbüttels keine Schwierigkeiten gab, die Flächen am Roggenstall den Hoisbüttlern zuzusprechen, werden Ansprüche Bergstedts stets bestritten.

Sechstens

Eine neue Situation entsteht 1803 durch den Tausch von Bilsen bei Alveslohe und des hamburgischen Anteils am Dorf Hoisbüttel gegen Alsterdorf. Nun ist es unbedingt erforderlich, die bisher nicht geregelte Grenze zwischen den zwei Hamburger Dörfern Hoisbüttel und Volksdorf, aus der nun eine Landesgrenze zwischen der Freien Reichsstadt Hamburg und dem unter dänischer Verwaltung stehenden Herzogtum Holstein geworden ist, genau festzulegen. Aus dem Protokoll der Begehung am 23. Juni 1803 erfahren wir, »bei Schillings Koppel (heute Garten v. Heinrich-von-Ohlendorff-Str. 99) hört das Einvernehmen auf. Die Eingesessenen von Hoisbüttel und Bergstedt behaupten, dass diese Heide zu ihren Dorfschaften gehöre und die Volksdorfer durchaus keinen Anteil daran hätten, welche Benutzung die Volksdorfer hingegen behaupteten, dass sie hier zwar keine Plaggen gehauen hätten, so hätte ihnen das Recht, hier Plaggen zu hauen doch so gut wie den Bergstedtern und Hoisbüttlern zugestanden.« (10)
Am gleichen Tag wird bei einer Besprechung im Hause des Bauernvogtes Joachim Krogmann in Hoisbüttel über den ›Neuen Teich‹ entschieden, diesen nach drei Jahren, wenn der Pachtvertrag abgelaufen ist, abzulassen
»… so daß der natürliche Lauf des Stromes die Scheidung zwischen Hoisbüttel und Volcksdorf seyn solte.« (11). So werden im Januar 1807 die Grenzpunkte beschlossen und im April die Steine entlang der Lottbek vom Grenzdreieck Hoisbüttel-Wulfsdorf-Volksdorf (Grenzstein No.1) bis zum Roggenstall (No.10) gesetzt. No.3, No 5 bis No.10 sind heute noch sichtbar.

1811 einigen sich Bergstedt (Amt Trittau) und Dorf-Hoisbüttel (Amt Tremsbüttel) auf ihre gemeinsame Grenze. An eventuelle Ansprüche der Volksdorfer (Hamburg) wird vermutlich kein Gedanke verschwendet. Von beiden Seiten wird jeweils eine Karte zur Untermauerung ihrer Ansprüche herangezogen. Die Karten widersprechen sich jedoch.

Dennoch wird protokolliert, das nördlich der Landstraße (12) Hamburg-Oldesloe (B) liegende Land (heute Ferdinand-Harten-Str,) gehöre zu Hoisbüttel, das südlich gelegene Land (Lottbeker Heide u. Wensenbalken) zu Bergstedt.

1833 findet eine Ortsbesichtigung statt und es wird beschlossen, »… daß alle Krümmungen des Baches durchschnitten und Vier gerade Linien erlangt würden, und der darnach zu ziehende Wasserlauf 8 Fuß breit gehörig und dergestalt tief gemacht werde.« (13).
Die Abstände der neuen drei Grenzsteine werden festgelegt, genau geregelt, welche Seite welche Abschnitte zu reinigen hat und dass die Landmesser die vier Strecken abzustecken haben.

So wird festgehalten »wegen der Grenze zwischen den Feldern des Königl. Dänischen Tremsbütteler Amtsdorfs Hoysbüttel u. dem der Freien Hansestadt Hamburg zugehörigen Dorfe Volksdorf, u. namentlich bey dem gemeinschaftlichen sogenannten neuen Teich, einige Differenzen obwalten, die zu beseitigen u. zu berichtigen, von beiderseitigen Behörden, eine Localbesichtigung für erforderlich erachtet,« (14).

1835 wird die Grenze neu abgesteckt. Nun gibt es vier neue Grenzsteine, 3a bis 3d. Die Steine 3c und 3d markieren die östliche Grenze des nun abgelassenen, ehemaligen Stauteiches gegen Hoisbüttel, sodass die gesamte, ehemalige Teichfläche zu Hamburg gehört. Der See wurde erst 1956 wieder angestaut. Durch die geplante Renaturierung wird sich dieser Bereich künftig ändern.

Siebtens

1883 – der Wensenbalken kommt zu Volksdorf und damit zu Hamburg:

Im Wensenbalken blieb die Grenze zwischen Volksdorf (Hamburg) und Bergstedt (seit 1866 Preußen) unklar. Erst 1883 einigen sich die beiden Länder. Es werden sieben Grenzsteine gesetzt. Sie tragen fortlaufend die Buchstaben A bis F. Der Stein A befindet sich am Grenzdreieck Volksdorf-Bergstedt-Hoisbüttel unter der Auffahrt zu Grund­stück Heinrich-von-Ohlendorff-Straße 23. Die weiteren teilen (zerschneiden) den Wensenbalken. Sie stehen an den Knickpunkten von der Heinrich-von-Ohlendorff-Straße 23 bis zur Kreuzung Volksdorfer Damm / Volksdorfer Grenzweg. Dadurch gelangt der größere Teil des Wensenbalkens an Volksdorf.

Der siebente Stein G steht am westlichen Ende des Gartens von Heinrich-von-Ohlendorff-Straße 95. Genau genommen ist bei diesem und den Nachbarhäusern Nr.93-97 die „Straßenseite“, auf die sich die Adresse der Häuser bezieht, im Westen. Die Zufahrten liegen jedoch im Osten an der zu Lottbek gehörenden Straße „An der Lottbek“. Grenzstein G trägt die Jahreszahl 1883 und die Buchstaben P (für Preußen) und H (für Hamburg). Zwischen A und G bildete die Mitte zwischen dem Knick und dem Graben (verschwunden) entlang der Heinrich-von-Ohlendorff-Straße die Grenze. So ist es bis heute – der Knick gehört zu Ammersbek.

1883 wurden damit Bergstedter Bauern zu Landbesitzern in Volksdorf. Doch die Probleme waren noch nicht gelöst.

Für Preußen bildete nun die Linie vom Stein G bis zum Stein Nr. 10 aus dem Jahre 1807 die Grenze entlang der „Heinrich-von-Ohlendorff-Straße“, für Hamburg war es aber die Lottbek. So mussten drei weitere Steine gesetzt werden; mit den Buchstaben J, K und L und der Jahreszahl 1885. Nun konnte die Lottbek in diesem Bereich die Grenze bilden und ein Hoisbüttler Bauer dennoch seine westlich des Baches lie­genden Ackerflächen ohne Grenzüberschreitung über die „Kleine Furt“ (F) erreichen.

Für die Hoisbüttler Koppel auf dem heutigen Grundstück „Heinrich-von-Ohlendorff-Straße 99“ wurden später weitere Grenzsteine gesetzt.

Grenzverlauf ab 1883

 

Zusammenfassung

Die Grenze zu Volksdorf ist sowohl für Hoisbüttel als auch für Volksdorf und damit für Hamburg der interessanteste Grenzabschnitt mit den meisten Grenzsteinen.

Die Zugehörigkeit der ehemaligen Gemarkung des untergegangenen Dorfes Lottbeks östlich des

gleichnamigen Baches gestaltete sich schwierig, da die drei umliegenden Dörfer unterschiedliche Interessen verfolgten. Infolge der Verkopplung ihrer Feldmark 1792 bekommen die Hoisbüttler in diesem Gebiet ihre Flächen und ebenso durch Absprache mit den Bergstedtern die Flächen nördlich der Oldesloer Heerstraße (Hamburger Straße). Dadurch wurden für Jahrzehnte entscheidende Fakten gegen die Interessen der Volksdorfer geschaffen. In der Folgezeit jedoch setzten sich die Volksdorfer durch. Der Wensenbalken, obwohl von Bergstedtern bewirtschaftet, wird 1883 größtenteils Volksdorf zugesprochen. Die Hoisbüttler und auch die Volksdorfer Exklaven erhalten einen für notwendig erachteten Zuweg, damit die Bauern nicht über fremdes Land zu ihren Koppeln fahren müssen. Sie werden folglich zu Halbexklaven. Nur die Buschwiese bleibt eine echte Exklave. Doch ist und bleibt der Grund unbekannt, warum sie nicht auch eine Zufahrt erhalten hat. (15).

Dietrich Raeck

unter Mitwirkung von Bernd Opitz und Klaus Tim mit dem Bericht „Die seltsame hamburgische Landesgrenze in Volksdorf“, erschienen im Jahrbuch des Alstervereins 2022 S.28-48


Fußnoten, Quellen

s. auch www.schüberg.de/artikel/historische-grenzsteine-in-hoisbuettel/

  1. Volksdorf-Karte v. 1703 s. a. Schreyer (2) S.34 u. S.38
  2. Stormarn Hefte 15/1990 Alf Schreyer „Lottbek, ein untergegangenes Dorf zwischen Ammersbek und Hamburg“ S.16-65
  3. Der Grenzwall ist in den Volksdorfer Karten erst seit 1782 berücksichtigt, nicht jedoch in der von 1701 und der Karte von Wulfsdorf von 1747. Wilhelm Brüchmann schreibt, „die Grenze zu Wulfsdorf, sei früher im Bereich des heutigen Moorbekwegs verlaufen. Offensichtlich hat hier im 18. Jahrhundert eine Grenzveränderung stattgefunden.“
  4. Untertan ist der damalige Begriff für Bewohner, die vom Landesherren abhängig waren. Als Bauern hatten sie „Hand- und Spanndienste“ in Form von Arbeitsleistungen zu erbringen, durch den Bauern selbst oder seine Knechten und mit Pferden. Der Zeitaufwand war „ungemessen“, also nicht genau definiert.
  5. Verkoppelung bedeutet auch das Ende des Flurzwangs:

Die Hufner sind Bauernfamilien auf Pachtland mit eigener Hofstelle und Teilhabe an allen Ackerflächen. Die Feldflur der Dorfgemeinschaft war in lange, schmale Ackerstreifen (Gewanne) unterteilt, damit jeder Dörfler Teilhabe an Böden unterschiedlicher Beschaffenheit und Güte hatte. Die Gewanne lagen nebeneinander, getrennt von schmalen Pflanzstreifen, den Rehmen. Dadurch lagen die Felder weit verstreut in der dörflichen Feldmark. Diese hatte den Nachteil, dass die gesamte Dorfgemeinschaft ihre Äcker mit gleicher Frucht gleichzeitig bearbeiten, bestellen und abernten musste. Neben diesem „Flurzwang“ waren die Bauern an ihren Hof gebunden und mussten für die Grundbesitzer (Adel und Kirche) Frondienste leisten. Die Pacht wurde in Hand- u. Spanndiensten (Arbeitsleistungen) und Naturalien beglichen.

Durch die Verkoppelung wurde die Feldmark und die Allmende, die bisherige Gemeinschaftsfläche, neu aufgeteilt. Die Äcker wurden zu größeren Einheiten zusammengekoppelt und den Dörflern zur eigenständigen, wirtschaftlichen Nutzung als Eigentum übergeben. Hand- u. Spanndiensten entfielen. Steuern wurden nun mit Geld beglichen. Dadurch kam es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung.

  1. Um 1800 hatte der Hamburger Anteil von Hoisbüttel 10 Bauernstellen, der Gutsanteil 8 Bauernstellen und 2 Katenstellen. Die Schmiede und der Schulhalter waren auch Landbesitzer. Alle nahmen an der Verkopplung teil. Westlich der Lottbek bekamen nur diejenigen Bauern Flächen, die dort auch schon vorher Flächen benutzt hatten.
  2. Einer der beiden Hamburger Senatoren, die die Aufsicht über die waldreichen Hamburger Exklaven führten und diese regelmäßig aufsuchten. Zur Übernachtung diente ihnen das Herrenhaus in Wohldorf.
  3. Zum „Wensenbalken“ (G) gehörte das gesamte Gebiet zwischen Volksdorfer Grenzweg im Westen, bis zur Heinrich-von-Ohlendorff-Straße im Norden und Osten und im Süden bis zu Ohlendorffs Tannen (vormals Grasweg).
  4. Zum wandernden Namen Regestall / Roggenstall: Schreyer, Lottbek, (2) S.42ff
  5. LASH Abt 111. Nr. 545: Protokoll vom 23.6.1803 in: Actum auf der Grenze zwischen Hoysbütel, Volksdorf und Bergstedt d. 15 Aug. 1803
  6. LASH Abt 111 Nr. 545; 1839 Wensenbalken No 7 (27)
  7. Großen Furt“ (C) über die Lottbek und dem Gasthof „Lottbek Krug“
  8. StAHamb 1333_Grenzinspektoriat_25_Volksdorf 6. August 1833
  9. wie 13.
  10. Die Lottbek wurde zwischen 1792 und 1848 wohl um 1830 von der Heidlooge (M, heute Siedlung Rittmeisterkoppel) bis zum Staudamm des Neuen Teiches begradigt. Bis dahin war die Buschwiese (L) durch eine Furt erreichbar. Allerdings zeigt der natürliche Verlauf ganz eindeutig keine Verbindung mit der Buschkoppel. Warum die Buschwiese Exklave blieb und keine Verbindung zur Volksdorfer Flur erhielt, obwohl sie durchgehend zur Vollhufe C gehörte, ist unbekannt.Erstmals gestaut wurde die Lottbek 1544, ca. 1806 abgelassen und erst 1956 wieder angestaut.